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SY SILVERLINING – Sparkman & Stephens 102′ Segelyacht

    Eine Superyacht für weltweite Reisen, ausgelegt auf maximalen Komfort an Bord – die 2011 gebaute SY SILVERLINING wurde mit allen vorstellbaren Annehmlichkeiten ausgestattet, was natürlich zu einem erheblichen Energiebedarf führt. Dieser wird – in dieser Schiffsgröße absolut üblich – primär von einem Dieselgenerator gedeckt, der quasi rund um die Uhr läuft. Der Auftrag: Im Rahmen eines elektrischen Refits sollte die Generatorlaufzeit auf ein Minimum reduziert werden. Die Sailectron Services GmbH realisierte hierzu ein durch Solarmodule unterstütztes Hybrid-Generatorsystem mit großem LiFePO4-Energiespeicher.

    Die Herausforderung

    Superyachten werden auch heute oft noch so ausgelegt, dass 24/7 ein Dieselgenerator läuft. Dieser läuft einen Großteil der Zeit im ineffizienten Teillastbereich, da er mit ausreichend Reserve auf mögliche Spitzenlasten an Bord ausgelegt werden muss. Elektrische Energie ist also immer ausreichend vorhanden, die Auswahl der Komponenten an Bord meist nicht auf elektrische Effizienz ausgelegt.

    Bei einem Hybrid-Generatorsystem wie es hier realisiert wurde, wird die Generatornutzung optimiert und möglichst effizient gestaltet: Wenn der Generator läuft, soll er im effizientesten Lastbereich arbeiten und gleichzeitig Verbraucher betreiben und einen Batteriespeicher laden. Auf variable Lasten muss hier natürlich automatisch reagiert und die Batterie-Ladung entsprechend angepasst werden.

    Die Herausforderung: In Zeiten, in denen der Generator nicht läuft, müssen alle Verbraucher über Wechselrichter aus der Batterie gespeist werden. Bei Spitzenlasten kann der Generator, der Zeit zum Warmlaufen benötigt, nicht von einem Moment auf den anderen zugeschaltet werden. Hier spielt die Auswahl an effizienten Komponenten nun eine wesentliche Rolle, weil die Wechselrichter auch für die auftretenden Spitzenlasten ausgelegt sein müssen.

    Vorteile eines Hybrid-Systems

    Ein korrekt ausgelegtes Hybrid-System bietet immense Vorteile an Bord: Die Generator-Laufzeit kann von einem durchgehenden Betrieb auf wenige Stunden am Tag reduziert werden. Das reduziert nicht nur Lärm, Vibrationen und Treibstoffverbrauch, auch der Wartungsaufwand wird signifikant reduziert.

    Details zu Hybrid-Generatorsystemen und deren Auslegung finden Sie auch hier.

    Durch den Einsatz einer großen Batteriebank kann gleichzeitig der für den Antrieb genutzte Motor durch starke Lichtmaschinen für die Ladung genutzt werden. Mit der Photovoltaik-Anlage, den Lichtmaschinen und dem Generator gibt es damit mehrere redundante Energiequellen an Bord, die über die Wechselrichter oder alternativ direkt durch den Generator die Systeme an Bord betreiben können. Gerade bei großen Passagen am offenen Meer ein nicht zu vernachlässigender Sicherheitsfaktor.

    Planung

    Energiemanagement

    Vor dem Refit bestand das System der SILVERLINING aus sechs Batteriebänken, die zum Laden parallel geschaltet wurden. Hier kamen mehrere große und fehleranfällige DC-Schaltelemente zum Einsatz. Der Ladezustand dieser Batteriebänke wurde ausschließlich über deren Spannungen überwacht, welche keine zuverlässige Aussage über den Status der Batterien zulassen. Ziel war es, eine zentrale, effiziente und zuverlässige Batterieanlage auszulegen um die Laufzeit der Yacht im reinen Batteriebetrieb zu verlängern und die Generatornutzung zu minimieren. Zudem sollte ein Teilbetrieb der leistungsstarken Drehstrom-Klimaanlage realisiert werden, die zuvor ausschließlich mit laufenden Generatoren genutzt werden konnte. Das gesamte 230/400V 50Hz Bordnetz  soll mit unterbrechungsfreier Umschaltung zwischen den Stromquellen ausgestattet werden, um den Komfort und die Betriebssicherheit zu erhöhen. Neben großen AC-Lasten sind gleichzeitig hohe DC-Ströme zu erwarten, sodass die neue Batteriebank, die DC-Verteilung und die Wechselrichter mit ausreichend Leistungsreserve auszulegen sind.

    Solaranlage

    Anhand der Original-Zeichnungen der Decksflächen wurde von SOLBIAN Solar eine erste Planung erstellt, unsere Techniker überprüften diese in Folge in Phuket mit Hilfe von 1:1 Papierschablonen. Da die Pläne der Werft teilweise stark von der Realität abwichen, wurden die Decksflächen vor Ort digitalisiert und ein neuer Satz Schablonen erstellt. Version 2 wurde von der Schiffscrew verifiziert, sodass die Anlage in Produktion gegeben werden konnte.

    Maßgefertigte Solarmodule der SolbianFlex SP-Serie mit 4.416Wp wurden von unserem Montageteam ins Salondach und in ein neu konstruiertes Hardtop integriert. Ein weiterer Anlagenteil auf dem vorderen Deck wurde fertig geplant und soll als nächster Schritt realisiert werden um das System zu erweitern.

    Elf via VE.Direct synchronisierte Victron SmartSolar MPPT-Regler sorgen für maximale Schattentoleranz, Redundanz und optimale Energieausbeute auch bei schwierigen Lichtverhältnissen.

    Vorbereitung

    Elektrische Planung

    Aufgrund der hohen Anforderungen und des Umfangs des Projekts sind elektrische Pläne bis ins kleinste Detail erforderlich. Durch vollständige Dokumentation wird einfache Wartung der Anlage sowohl von der Crew als auch von lokalen Elektrofachkräften ermöglicht. Zusätzlich wird durch die durchgängige Beschriftung aller elektrischen Betriebsmittel effizienter Remote-Support gewährleistet.

    Mit der Übersichtsplanung ist am ersten Blick der Umfang der Anlage ersichtlich. Werden weitere technische Details benötigt, so können diese in der Detailplanung gefunden werden.

    Verteilerbau

    Die Vorfertigung sämtlicher Verteiler in den Werkstätten der Sailectron Services GmbH ermöglicht nicht nur schnelle und effiziente Montage vor Ort, sie erlaubt auch schon vor dem Einbau eine detaillierte Prüfung auf Funktion und Sicherheit. Dies ist gerade bei entlegenen Installationsorten, bei denen die Ersatzteilbeschaffung neben hohen Kosten vor allem viel Zeit in Anspruch nehmen würde unerlässlich.

    Die Kupferschienen unserer Verteiler werden im Haus konfektioniert und für den Einsatz in anspruchsvollen Umweltbedingungen wie z.B. an Bord von Schiffen galvanisch verzinnt. Bei diesem Projekt weist der DC-
    Hauptverteiler einen Nennstrom von 1150A @24V im Dauerbetrieb auf. Um auch die Betriebssicherheit bei
    hohen Maschinenraumtemperaturen zu gewährleisten, verfügt der Hauptverteiler über eine überwachte
    Zwangsbelüftung.

    Transport & Logistik

    Gerade im Marinebereich sind unsere Zoll-, Umsatzsteuer- und Logistikexperten regelmäßig gefordert: Komplexe und hochwertige Waren, oft Gefahrgut, müssen schnellstmöglich um die gesamte Welt transportiert werden. Dabei sind die geplanten Routen der Schiffe und lokale Zollbestimmungen zu beachten, zudem muss oft zusätzlich zum Material Werkzeug nicht nur zum Projekt sondern auch zurück transportiert werden.

    Dieses Projekt wurde teilweise in Malaysia, teilweise in Thailand installiert und in Singapur fertig abgenommen, was unser Team vor besondere Herausforderungen stellte, die in Zusammenarbeit mit dem Kunden und der Reederei mit ca. 8 Wochen Projektvorlauf gelöst werden konnten.

    Komponenten

    Batteriesystem: MG Energy

    Für maximale Zuverlässigkeit wurde ein mehrfach redundantes LiFePO4-Batteriesystem gefordert. Nachdem zum Zeitpunkt der Installation die Victron Energy LiFePO4 NG Batterien (über Lynx Smart BMS NG mehrfach redundant aufbaubar) noch nicht verfügbar waren, kamen hier LFP-Batterien von MG Energy zum Einsatz. Diese wurden über drei 1000A LV Hubs in redundante Gruppen aufgeteilt, sodass im Notfall die gesamte DC-Anlage mit nur einem Batterie-String betrieben werden kann. Die Kommunikation zwischen den Systemen erfolgt über CAN-Bus, die Batterien von MG sind hier voll in das Victron-System integriert und nutzen DVCC: Das bedeutet, dass das BMS aktiv und abhängig vom Zustand der Batterien die Ladespannung, die Ladeströme und damit das Verhalten der Victron-Komponenten steuern kann.

    Energiemanagement: Victron Energy

    Für die unterbrechungsfreie Versorgung der AC-Lasten und die Ladung der Batterien kommen drei Victron Quattro 24/8000 zum Einsatz. Diese sorgen mit PowerAssist und PowerControl dafür, dass Generatoren und Landstromanschlüsse nicht überlastet werden und garantieren eine optimale Auslastung im Generatorbetrieb.

    Verstärkte Lichtmaschinen wurden mittels Wakespeed WS500 Reglern ins Victron Energy System integriert.

    Eine separate Nav/Com und eine Emergency – Batteriebank wurden mit Victron LiFePO4 Smart – Batterien realisiert. 

    Über einen Cerbo GX wird das gesamte System zentral überwacht, in die Kartenplotter integriert und ist aus der Ferne via Victron Energy VRM abrufbar.

    Automatisierung: Beckhoff

    Aufgrund des hohen Leistungsbedarfs und des zu realisierenden Autarkiegrads war an Bord umfangreiches Lastmanagement zu integrieren. Je nach Ladezustand der Batterieanlage und der Leistung auf der Ausgangsseite der Quattros müssen unterschiedliche Lastgruppen auf der DC- und AC-Seite abgeworfen bzw. zugeschaltet werden. Dies betrifft unter anderem Warmwasserboiler, Leistungsstufen der Klimaanlage, DC-Ladesysteme, die Trinkwasserbereitung und weitere Systeme, bei denen eine kurze Abschaltung keine Auswirkungen auf den Komfort der Anlage haben.

    Das erforderliche Energiemanagementsystem für die Leistungsregulierung der Yacht wurde über Modbus TCP/IP an den Cerbo GX von Victron Energy gekoppelt. Dies ermöglich je nach Zustand des Victron-Systems zielgenaue Eingriffe in das dezentral verteile Bordnetz der Yacht.

    In das Bordnetz wurden mehrere SPS I/O Baugruppen integriert, um so bedarfsgenaue Schaltvorgänge vornehmen zu können. Das System erlaubt zudem eine sequentielle Abschaltung der Verbraucher bei niedrigem SOC des Batteriesystems. Der Kapitän hat über das HMI oder via PC via HTML-Benutzeroberfläche die Möglichkeit jederzeit auf das System zuzugreifen, um gezielte Maßnahmen einzuleiten. Die gesamte Kommunikation läuft über EtherCAT.

    Fernwartung und Remote-Konfiguration ist über einen weiteren Zugriffsserver möglich. Dadurch wird ein weltweiter Remote-Support gewährleistet.

    Installation

    Montage der Komponenten

    Die Montage der größtenteils in Österreich vorbereiteten Komponenten wurde mit einem Team von sechs Personen innerhalb von 2,5 Wochen in Thailand realisiert. Neben dem E-Plan wurde hierzu die Anlage vorab in 3D geplant und die Positionen aller Komponenten bestmöglich vorab definiert.

    Um das Schiff während der Arbeiten betriebsbereit zu halten, wurden vorab diverse provisorische Stromversorgungen hergestellt.

    Inbetriebnahme & Tests

    Nach Abschluss der Arbeiten wurde das gesamte System konfiguriert und dokumentiert. Teil dieser Arbeiten ist die elektrische Überprüfung aller installierten Komponenten wie die ordnungsgemäße Funktion aller Fehlerstrom-Schutzschalter, automatische Sicherheitsprozeduren, thermische Belastungen aller Hauptleitungen und der Lichtmaschine mittels einer Wärmebildkamera sowie Prüfung aller Isolationswiderstände.

    Automatische Notfall-Umschaltsteuerungen der Emergency-Battery und der NAV/COM-Batterie für eine mögliche Störung der Service-Batterieanlage wurden im Detail geprüft, um im Fehlerfall die höchste Sicherheit zu gewährleisten.

    Um eine hohe Betriebssicherheit des 230/400V 50Hz Bordnetztes zu gewährleisten werden aufgrund der zu erwartenden Einschaltströme genaue Analysen mittels eines Netzanalysators Fluke 1738 im Millisekunden Bereich auf Einschaltstromspitzen durchgeführt. Diese werden ja nach Art und Höhe der Einschaltströme durch die integrierte SPS mit den dezentralen I/O- Gruppen entsprechend geschaltet. Dadurch kann das System nahe der Nennleistung betrieben werden.

    Neben der gesamten Verkabelung, Klemmstellen und Sicherungen werden auch die Lichtmaschinen nach längerem Volllastbetrieb thermisch überprüft – so kann sichergestellt werden, dass die gewählte Konfiguration der hohen Belastung beim Laden der LiFePO4-Batteriebank dauerhaft standhält.

    Monitoring

    Die Daten sämtlicher Komponenten laufen am Victron Cerbo GX zusammen, der diese nicht nur auf einem GX Touch 70 und den Raymarine-Kartenplottern grafisch darstellt: Er ist auch über das Internet mit dem Victron VRM-Portal verbunden. Über dieses kann der Eigner auf sämtliche Daten zugreifen und erhält Alarme, falls es ein Problem an Bord geben sollte. Weiters können über das Portal unsere Techniker auf das System zugreifen und bei Bedarf Updates aufspielen, Konfigurationen ändern oder Datensätze ansehen.

    Fazit

    Durch die Kombination einer Victron Energy Hybrid-Generator-Lösung mit intelligentem Energiemanagement, leistungsstarker Photovoltaik und starken Lichtmaschinen konnte an Bord der SILVERLINING nicht nur die Generator-Laufzeit massiv reduziert werden: Die erhöhte Autarkie und Redundanz macht den Betrieb der Yacht sicherer, angenehmer und reduziert den Wartungsaufwand. Neben einem geringeren ökologischen Fußabdruck können laufende Kosten eingespart und die Abhängigkeit von lokaler Infrastruktur deutlich verringert werden.

    Die Reise der SY SILVERLINING kann hier verfolgt werden. Es ist möglich, Plätze an Bord zu buchen um das System in Aktion zu sehen und einen Teil der aufregenden Route und spannende Segelreviere zu erleben!

    48V Speicher – 106kWh: 18x MG 25,6V/230Ah/5800Wh
    48V BMS: 3x MG Master LV (redundant ausgeführt)
    24V Speicher: 3x Victron LiFePO4 Smart 25,6/200-a
    24V BMS: 2x Victron Lynx Smart BMS 500A
    Wechselrichter: 3x Victron Quattro 48/8000, 1x Victron MultiPlus 24/3000
    Monitoring: Victron Cerbo GX mit GX Touch 50
    PV-Laderegler: div. Victron SmartSolar MPPT
    PV-Leistung: 4.416Wp